Work-Life Balance – alles nur ein Mythos?
„Work-Life Balance gibt es bei uns nicht, Punkt.“ So die wörtliche Aussage vieler Teilnehmender an meinen Workshop. In unzähligen Unternehmen gilt scheinbar noch die Maxime, dass nach der Arbeit erst einmal ganz lange nichts kommen darf. Mitarbeitende nehmen regelmäßig krank an meinen online Workshops teil und immer wieder wird die Teilnahme unterbrochen, weil wichtige Meetings anstehen, die nicht ausgelassen werden dürfen. Mir scheint wir sind noch ein ganzes Stück weg von echter work life balance und Unternehmen und deren Führungskräfte haben noch einen weiten Weg vor sich.
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Wie wird das Thema Work-Life Balance gesellschaftlich betrachtet?
Bei der Recherche zu diesem Thema fällt mir auf, dass dieses in Artikeln und Blogeinträgen oft sehr sachlich und unemotional behandelt wird. Es werden Arbeitszeiten im europäischen Durchschnitt verglichen, die Herzinfarktwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der Arbeitsbelastung, Alter und Geschlecht beleuchtet und die Effizienz am Arbeitsplatz sowie die Tage ermittelt, an denen Arbeitnehmende den Rechner nach 22 Uhr noch eingeschaltet haben. Es geht offenbar zuerst um „Humankapital“ und wie dieses optimal eingesetzt werden kann.
Do not confuse having a career with having a life – Hillary Clinton
Das scheint mir am Thema vorbei gedacht. Die Menschen, die ich treffe, leiden unter mangelnder Wertschätzung, an schlechtem Gewissen, wenn ein Kind krank ist, unter Kopfschütteln, wenn Elternzeit genommen wird und an einer Führungskultur, die deutlich macht, dass private Belange am Arbeitsplatz grundsätzlich nichts zu suchen haben. Hier scheinen Menschen einfach auf Ihre Arbeitskraft reduziert zu werden, die Person wird ignoriert.
Nur wer hart arbeitet, kommt ans Ziel
Kürzlich las ich Spiegel im einen Kommentar einer jungen Journalistin, die verkündete, sie wolle nach Abschluss Ihres Studiums nicht Vollzeit arbeiten, sondern nur Teilzeit. Sie argumentierte mit Work Life Balance und damit, dass sie nicht wie ihre Eltern Ihr Leben komplett der Arbeit opfern, sondern auch andere Dinge priorisieren wolle. Sinnstiftende Dinge, Hobbies, Achtsamkeit. Weniger materiellen Wohlstand war sie dafür gerne bereit in Kauf zu nehmen.
„No one on their deathbead ever said `I wish I had spend more time at the office‘“. Paul Tsongas
Die Kommentare im Forum dazu waren vorhersehbar feindselig im Ton und eindeutig in der Aussage: Ungeheuerlich! Hier fährt eine junge, egoistische und privilegierte Generation den Wohlstand vor die Wand, den Ihre Eltern durch harte Arbeit erwirtschaftet haben!
Es ist wahr, meine Eltern haben geschuftet und sind krank zur Arbeit gefahren. Meine Mutter erzählt immer wieder, wie schlecht es ihr ging, wenn sie mich als 10-Jährigen krank zu Hause gelassen hat und zur Arbeit gefahren ist.
Aber war diese Mentalität richtig?
Der Zeitgeist wurde auch musikalisch wiedergegeben
Ja, Vater, du bist noch vom ganz alten Schlag
Seit vierzig Jahren pünktlich, jeden Tag
Du warst nie krank und bist noch drauf stolz
Jetzt heißt′s „Was soll’s?“
Wann hast du jemals richtig Urlaub gemacht?
Dein ganzes Leben für′n Betrieb mitgedacht
Deinen Job macht jetzt ein Stück Silikon
Wen juckt das schon?Klaus Lage – Monopoli
Alles so wie immer am Arbeitsplatz?
Unsere Arbeitswelt hat sich seit damals jedoch dramatisch verändert und wir wissen heute um das krankmachende Potential von zu hoher Arbeitsbelastung. Was gestern „so gemacht“ wurde, muss heute nicht mehr richtig sein, denn die Resultate sind hinlänglich belegt und nehmen zu, wie unter anderem die AOK jährlich berichtet:
- Herzinfarkte und Schlaganfälle
- Chronische Müdigkeit
- Depressionen
- Burnout
- Angstzustände
- Suchtverhalten
- Schlechter Schlaf
- Rückenprobleme
Es wird darum allerhöchste Zeit, dass wir uns von dieser Idee der Arbeit als höchstes Lebensziel verabschieden und auch davon zu glauben, dass wir nur effektive, produktive Mitglieder der Gesellschaft sind, wenn wir „im Schweiße unseres Angesichts“ schuften. Neue Sichtweisen müssen her.
Work-Life Balance, gibt es das überhaupt?
Bei Work-Life Balance geht es um den Abgleich von Erwartungen zwischen Menschen die arbeiten und Firmen.
Es muss klar sein was beide Seiten wollen und Arbeitsplätze müssen darauf angepasst werden. Wenn Firma A weiß, das Bewerberin B gerne 20 Stunden arbeiten möchte, weil sie noch ehrenamtlich tätig ist oder angehörige pflegt, kann sie eine informierte Entscheidung treffen und die Bewerberin kann in dem Umfang leisten, der zu Ihrem Leben passt!
Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um über echte Work-Life Balance nachzudenken, wenn wir es mit der modernen Führungskultur ernst meinen und nicht wütend auf Menschen blicken, die eine andere Idee von Karriere haben.
- Gutes Selbstmanagement (Verhalten managen und nicht die Zeit)
- Die eigenen Erwartungen klar kommunizieren und mit dem Arbeitgeber abgleichen
- Achtsamkeit gegenüber mir selbst üben
- Resilienz trainieren
- Work Smarter, Not Harder!
Was braucht es nun, um unsere Arbeitswelt den Entwicklungen anzupassen
Als erstes müssen Führungskräfte den Mut haben sich einzugestehen, dass die Dinge besser laufen könnten und es an der Unternehmensführung liegt, den Kurs zu setzen. Folgende Fragen können sich Führungskräfte stellen
- Welche Werte herrschen im Unternehmen, wie ist also die Kultur aufgebaut und ist das deutlich?
- Gibt es eine offene Feedbackkultur ohne Rücksicht auf Berichtslinien, oder funktioniert Kommunikation nur anhand etablierter, hierarchische Linien?
- Gehen Führungskräfte mit gutem Beispiel voran oder blockieren Sie neue Wege, aus Angst um Position und Status?
Worrk-Life Balance wird von verschiedenen Menschen verschieden wahrgenommen. Die einen mögen Ihre 60 Stunden Woche, die anderen Ihre Hobbies!
Was ist Work-Life Balance für Sie?
Denken Sie immer daran, dass wir alle die Welt unterschiedlich wahrnehmen und darum auch Gründe für Stress und Zufriedenheit in unserem Leben unterschiedlich bewerten. Darum haben wir auch alle verschiedene Vorstellungen davon, wie Work-Life Balance für uns aussieht. Denken Sie daran andere Sichtweisen zu akzeptieren, wenn Sie sich aufmachen um die richtige Balance in Ihr Leben zu bekommen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!
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