Mangelnder Erwartungsabgleich führt zu Konflikten
Manche sagen, wir sollten keine Erwartungen haben, dann werden wir auch nicht enttäuscht. Ich glaube, wir täten gut daran unsere Erwartungen klar zu formulieren.
Wer hat das schon einmal gehört?
„das habe ich nicht erwartet…“
„das war nicht zu erwarten!“
„Ich hätte erwartet, dass…“
„Das kannst Du nicht von mir erwarten!“
„Das habe ich SO nicht erwartet!“
„Damit das klar ist, ich erwarte in Zukunft…!“
„Was erwartest Du von mir?“
Meistens werden diese Sätze erst gesagt, wenn etwas schiefgelaufen ist. Wenn es Streit gibt und die Dinge nicht so gelaufen sind, wie „erwartet“.
Das kann in unserem Leben so sein, beim sportlichen Wettkampf, in der Beziehung, der Familie und eben auch bei der Arbeit.
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Erwartungen klar kommunizieren – klingt einfach
Hierzu müssen wir nur klar und sachlich sagen, was unsere Erwartung ist, die anderen tun das auch und dann gibt es keine Unklarheiten.
Ganz so einfach ist es aber nicht und es gibt eine Reihe von Gründen, warum wir uns nicht trauen unsere Erwartungen klar zu formulieren
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Angst vor Ablehnung: Die Angst davor, dass die andere Person die Erwartungen nicht erfüllen kann oder will, führt oft dazu, dass Menschen ihre Erwartungen nicht klar äußern. Sie befürchten, dass die Ablehnung schmerzhaft sein könnte.
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Konfliktscheu: Einige Menschen meiden Konflikte und glauben, dass das Äußern von Erwartungen zu Meinungsverschiedenheiten oder Unstimmigkeiten führen könnte. Deshalb behalten sie ihre Erwartungen lieber für sich.
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Unsicherheit: Manchmal sind Menschen unsicher, ob ihre Erwartungen realistisch sind oder ob sie überhaupt das Recht haben, solche Erwartungen zu haben. Diese Unsicherheit kann dazu führen, dass sie ihre Erwartungen nicht äußern.
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Beziehungsangst: In zwischenmenschlichen Beziehungen, sei es in Freundschaften, Partnerschaften oder beruflichen Beziehungen, haben Menschen manchmal Angst, dass das Äußern von Erwartungen die Beziehung belasten oder zerstören könnte. Daher entscheiden sie sich dafür, ihre Erwartungen zurückzuhalten.
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Kommunikationsprobleme: Manche Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Gedanken und Bedürfnisse klar und präzise zu formulieren. Sie fühlen sich vielleicht nicht in der Lage, ihre Erwartungen respektvoll und diplomatisch in Worte zu fassen.
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Fehlende Gewohnheit: Das klare Äußern von Erwartungen erfordert eine gewisse Kommunikationsfertigkeit, die nicht jeder von Natur aus besitzt. Einige Menschen haben nie gelernt, wie man dies effektiv tut, und fühlen sich deshalb unwohl dabei.
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Angst vor Enttäuschung: Die Vorstellung, dass die eigenen Erwartungen nicht erfüllt werden könnten, kann Menschen davon abhalten, diese überhaupt zu äußern, um Enttäuschungen zu vermeiden.
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Kulturelle Normen: In einigen Kulturen oder sozialen Gruppen ist es unüblich, offen über Erwartungen zu sprechen, insbesondere wenn es um familiäre Hierarchien oder Geschlechterrollen geht.
Das führt dann oft zu Enttäuschungen
Manche sind enttäuscht, weil der lang ersehnte Urlaub nicht so war wie erwartet.
Andere sind es, weil die Kultur in der neuen Firma nicht so ist wie erwartet.
Führungskräfte sind enttäuscht, weil die Person welche neu im Team ist, einfach nicht so „gut“ arbeitet, wie erwartet.
Viele Konflikte können vermieden werden, wenn wir vorher über unsere Erwartungen sprechen. Bei der Urlaubsplanung, in Beziehungen, bei der Arbeit.
„Erwartungen sind die Wurzel allen Schmerzes“ (William Shakespeare)
Kürzlich hatte ich ein langes Gespräch mit einer Führungskraft aus der Immobilienbranche. Es ging um Führungskultur und irgendwann sagte er:
„Sie Dich um, Norman. Hier sieht es aus wie bei Google. Die Lounge Möbel, der schicke Konferenzraum, die Küchenecke. Alles hip, modern und laissez faire. Erst wenn die Menschen bei uns anfangen zu arbeiten merken sie, was für ein traditionelles, konservatives, streng reguliertes und risikoscheues Unternehmen wir sind. Das ist ein Problem, da wecken wir falsche Erwartungen.“
Das stimmt, denn wenn unsere Erwartungen nicht zueinander passen, dann ist Konflikt vorprogrammiert.
„Erwartung“ ist kein Schimpfwort
Nur wenn ich meine Erwartungen klar ausspreche und die Erwartungen der anderen kenne, kann echte Kollaboration gelingen. Ob in Verhandlungen, der täglichen Zusammenarbeit, beim Sport oder in der Beziehung. All zu oft kommt es zu Konflikten, weil wir nicht wussten, was die Erwartung der anderen ist.
Erwartungen werden auch kleiner und können besser eingeordnet werden, wenn sie offen daliegen. Wir erwarten vielleicht Perfektion von uns selbst und merken dann, dass dies gar nicht von uns erwartet wird.
Genau so erwarten wir vielleicht Pünktlichkeit und uns wird klar, dass wir vorausgesetzt haben dass alle das genau so sehen, ohne es jemals zu formulieren.
Hier spielt auch die interkulturelle Komponente eine große Rolle. Was wir „normal“ finden ist immer geprägt von der Kultur aus der wir kommen. Sei es beruflich, familiär oder durch den Kulturkreis in dem wir aufgewachsen sind.
Auch vor diesem Hintergrund macht ein offener Austausch durchaus Sinn.
Erwartungen bei der Arbeit
Idealerweise sollte ein Abgleich schon beim Einstellungsprozess passieren.
Wobei die Erwartungen BEIDER Seiten hier berücksichtigt werden müssen.
Firmen müssen lernen ehrlich zu sagen, wer sie sind und was sie wollen, z.B. zu diesen Themen
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Qualifikationen und Fähigkeiten
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Kulturelle Passung
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Engagement und Interesse
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Flexibilität und Anpassungsfähigkeit
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Kommunikationsfähigkeiten
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Teamarbeit
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Selbstmotivation und Eigenverantwortung
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Lernbereitschaft
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Berufsethik und Integrität
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Ergebnisorientierung
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Mobilität und Flexibilität
Menschen die sich bewerben sollten dasselbe tun
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Entlohnung
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Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten
- Arbeitszeiten und Flexibilität
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Betriebsklima und Unternehmenskultur
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Work-Life-Balance
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Benefits und Zusatzleistungen
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Herausforderungen und berufliche Erfüllung
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Anerkennung und Wertschätzung
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Führung
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Vereinbarkeit mit persönlichen Werten
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Einbindung in Entscheidungsprozesse
Geschieht das, hat es immense Vorteile, z.B.
- Offene Kommunikation und Klarheit
- Effizienz und Effektivität
- Zufriedenheit (auf beiden Seiten) und Konfliktprävention
- Vertrauen und Entwicklung
Es lohnt sich also, mutig und ehrlich darüber zu sprechen was wir uns wünschen, für alle Seiten und in jeder Lage.
Wann sind Erwartungen zu hoch?
Unternehmen beklagen oft, dass sie einfach nicht die richtigen Menschen finden, welche die Erwartungen an die Position und an die Person erfüllen. Ich kenne Firmen die 70 Gespräche geführt haben, ohne dass sie die „richtige“ Person gefunden haben. Liegt das nur an den Menschen die sich beworben haben, oder vielleicht an unrealistischen Erwartungen?
Genau so kenne ich Menschen, die im Bewerbungsprozess unrealistische Erwartungen äußern, oft getrieben von dem was sie gehört oder gelesen haben.
„My expectations were reduced to zero when I was 21. Everything since then has been a bonus“
Stephen Hawking
Erwartungen sollten ehrlich sein und das Ergebnis eines klaren Prozesses in dem sich gefragt wird:
Was ist mir wirklich wichtig?
Wer oder was bin ich wirklich?
Was brauche ich wirklich?
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Offene und ehrliche Kommunikation: Drücke dich klar und respektvoll aus, und ermutige die andere Person, dasselbe zu tun. Sei bereit, zuzuhören und Fragen zu stellen, um sicherzustellen, dass du die andere Person verstehst.
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Klare und präzise Formulierung: Bemühe dich, deine Erwartungen so konkret wie möglich zu formulieren. Vermeide vage Ausdrücke und sorge dafür, dass sowohl du als auch die andere Person genau wissen, was erwartet wird.
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Kompromissbereitschaft: In den meisten Beziehungen wird es Zeiten geben, in denen Erwartungen nicht vollständig erfüllt werden können. Sei bereit, Kompromisse einzugehen und gemeinsame Lösungen zu finden, die für beide Seiten akzeptabel sind.
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Regelmäßige Kommunikation: Erwartungsabgleich ist keine einmalige Angelegenheit. Es ist wichtig, dass du regelmäßig mit der anderen Person sprichst und sicherstellst, dass eure Erwartungen immer noch in Einklang stehen.
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Feedback annehmen: Sei offen dafür, Feedback von anderen Personen zu deinen eigenen Erwartungen zu erhalten. Dies kann dir helfen, deine Kommunikation zu verbessern und deine Erwartungen realistischer zu gestalten.
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Respekt und Empathie: Zeige Respekt für die Bedürfnisse der anderen Person. Versuche, dich in ihre Lage zu versetzen und ihre Perspektive zu verstehen.
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Vereinbarungen schriftlich festhalten: In einigen Fällen kann es hilfreich sein, Vereinbarungen schriftlich festzuhalten. Dies kann als Referenzpunkt dienen, wenn es Unstimmigkeiten gibt.
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Vertrauen aufbauen: Je mehr Vertrauen zwischen den beteiligten Personen besteht, desto einfacher ist es, offene Gespräche zu führen und auf gemeinsame Vereinbarungen hinzuarbeiten.
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Geduld und Toleranz: Veränderungen in den Erwartungen oder Bedürfnissen können im Laufe der Zeit auftreten. Sei geduldig und tolerant gegenüber den Veränderungen und Anpassungen, die erforderlich sein könnten.
Dann ist es ein ein starkes Mittel um Vertrauen, Kollaboration und Erfolg zu sichern. Auf der anderen Seite hilft es, Konflikte zu vermeiden.
Manchmal indem es NICHT zu einer Zusammenarbeit, zu einer Partnerschaft oder einer Geschäftsanbahnung kommt. Am Ende ist eine klare, einvernehmliche Lösung immer die beste Lösung
Ich wünsche viel Erfolg bei ihren zukünftigen Erwartungsabgleichen!
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Bildnachweis: Alle Canva, Statistiken von Statista und Chat GPT