Arbeitszeitverkürzung – geht’s denn bitte noch!?
Momentan wird viel über die 4 Tage Woche gesprochen.
Die Empörung ist auch hier wieder einmal groß:
- wie sollen wir den Wohlstand sicherstellen, wenn wir weniger arbeiten?
- Wir haben sowieso schon Fachkräftemangel, wie sollen wir da die Arbeit schaffen, wenn dann auch noch weniger gearbeitet wird?
- Wo bleibt die Leistungsbereitschaft der jungen Generation?
- Arbeit gibt unserem Leben Sinn, wir definieren uns über beruflichen Erfolg, unser sozialer Status hängt davon ab! Manche Menschen wollen das offenbar hergeben und sich vom Sozialstaat durchfüttern lassen
- Gerade in der gegenwärtigen Weltlage ist es doch wichtig, dass wir alle unseren Beitrag zu Fortschritt und Wohlstand leisten
- Verwöhnte, egoistische Millenials, die in einer Ära von Frieden und Wohlstand aufgewachsen sind, sind nun nicht mehr bereit, diesen Wohlstand zu verteidigen
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Die Forderung nach der 4-Tage-Woche ist ein Symptom
Wie so oft, wenn es um Wandel und Veränderung geht, reagieren viele Menschen reflexhaft mit Ablehnung. Immerhin geht es um althergebrachtes, dass lange gut funktioniert hat, dass uns Sicherheit gibt, dass wir kennen und verstehen. Der Schritt raus aus der Komfortzone fällt vielen unglaublich schwer, vor allem wenn wir älter werden.
Lösungen sind direkt vor unserer Nase – wir müssen sie nur sehen
Es gibt heute eine Menge Begriffe, die immer mehr zu Schlagworten verkommen und teilweise auch verfremdet und falsch eingesetzt werden. Dabei können gerade sie uns helfen, Arbeitszeit zu verkürzen und effektiver zu werden. dazu gehören
- New Work – Arbeit mit Sinn und Freude, die wir wirklich tun wollen
- Agilität – Auf Augenhöhe und individuell angepasst führen
- Holokratie – Gemeinsam Ziele erreichen, mit den richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort, ohne Standesdünkel und Machtkämpfe
- Gewaltfreie Kommunikation – respektvoll, effektiv, integer
- Und noch viele andere
„John Maynard Keynes sagte bereits im Jahr 1930 die 15 Stunden Woche für seine Enkelkinder voraus, im Jahr 2030. Als Grund nannte er den technischen Fortschritt, der dafür sorgen würde, dass Arbeit schneller erledigt wird.
Technischer Fortschritt hat unsere Arbeitszeit tatsächlich nicht nennenswert verkürzt. Zumindest nicht in den letzten 30 Jahren.
Konzepte werden oft „von Oben“ angeordnet, ohne die Firmenkultur zu verändern
Haben Sie schon mal etwas von der Spieltheorie gehört? Sie besagt, dass sich das Spiel nicht ändert, auch wenn mitspielende ausgetauscht werden. Ein Fußballspiel bleibt ein Fußballspiel, auch wenn wir 5 Auswechslungen vornehmen.
Ich erlebe regelmäßig, wie Unternehmen etwas machen, ohne ernsthaft den Wunsch nach nachhaltiger Veränderung zu hegen
- Anfrage für einen Resilienzworkshop: 80 Teilnehmende, das Thema wird als wichtig angesehen. „Super“, sage ich, „wie viel Zeit nehmen wir uns? „Wir haben ein 3-tägiges Offsite mit dem internationalen Team und haben dafür 2 Stunden freigehalten“. 2 Stunden, am Ende von 3 Tagen, für eines der wichtigsten Themen momentan.
- Anfrage Insights Discovery: „Wir wollen was für die Team Kommunikation machen, besser kommunizieren, Probleme angehen“. „Ok, dann schlage ich 2 Tage vor, um wirklich voranzukommen“. „geht leider nicht aus Termingründen, wir hatten an 4 Stunden gedacht“.
- Erzählung einer Freundin von mir: sie machen jetzt in der Behörde „new work“, mit einer neuen Sitzecke, Möglichkeiten von Home Office und alle bekommen tablets. Wenn das Projekt gut funktioniert, wird es verlängert. New Work also als Projekt, für das Etwas Geld und Zeit in die Hand genommen wird
- 2 Stunden für einen Workshop „unconscious bias“ mit Führungskräften aus einem Konzern. Einmalig 2 Stunden für ein so aktuelles und brisantes Thema
Alle diese Themen könnten zu größerer Effektivität, weniger Auseinandersetzungen und Unklarheiten und damit zu weniger Arbeitsstunden führen, wenn Firmen sie konsequent verfolgen würden.
Die 4-Tage Woche: natürlich geht das!
Denken Sie nur mal an all die unnötigen, endlosen Besprechungen, die Freigabeprozesse, das Warten auf Rückmeldung, das Mikromanagement, die Geschäftsreisen, die Berichte, welche niemand liest, die Präsentationen, die am Ende aus Zeitmangel nicht gezeigt werden. Denken sie an all die Stellen, an denen wir NICHT digitalisieren, wo wir kontrollieren statt zu vertrauen und Zeit abgesessen wird, damit das Pensum erfüllt wird.
- Haben sie diese Woche schon einmal gedacht: „diese Besprechung ist Zeitverschwendung“?
- Verbringen Sie regelmäßig Zeit damit, auf Freigaben oder Rückmeldungen zu warten?
- Verbringen Sie viel Zeit mit administrativen Aufgaben, welche Sie als nutzlos empfinden?
- Priorisieren Sie regelmäßig Ihre Aufgaben und halten sich konsequent daran?
- Nutzen Sie technische Hilfsmittel um Zeit zu sparen oder um mitreden zu können, wenn es um das neueste gadget geht?
- Haben sie oft das Gefühl, dass es für Sie nachteilig ist, wenn Sie pünktlich Feierabend machen im Vergleich zu anderen?
- Ertappen Sie sich dabei, dass Sie schwierige Aufgaben vor sich herschieben und stattdessen unwichtiges aber angenehmes tun?
- Haben Sie öfter das Gefühl, dass die Linke Hand nicht weiß was die Rechte Hand tut?
Wer weniger Zeit mit Arbeit verbringt, leistet weniger?
Von dieser Idee sollten wir wegkommen. Wir wissen schon lange dass wir schlechter, langsamer und ineffektiver arbeiten, je mehr Zeit wir damit verbringen. Alle die schon mal Ihre Wohnung oder ihr Haus renoviert haben, können das bestätigen.
„Die Zukunft der Arbeit liegt nicht in der Quantität, sondern in der Qualität der geleisteten Arbeit.“
Das viel zitierte „Pareto Prinzip“ spricht ebenfalls dafür, dass wir den größten Teil des Ergebnisses mit relativ kleinem Aufwand erreichen können.
Mit guter Zeiteinteilung und klarer Priorisierung lassen sich demnach 80% des Ertrages mit 20% des Aufwands erreichen.
eine in England durchgeführt Studie kommt zu einem klaren Ergebnis. Von 61 Firmen, welche die 4 Tage Woche ausprobiert haben, wollen 56 das Model beibehalten. Weniger Leistung, weniger Profit? Fehlanzeige!
Mögliche Vorteile einer 4-Tage Woche
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Verbesserte Work-Life-Balance: Durch längere Wochenenden haben Menschen mehr Zeit für Freizeitaktivitäten, Erholung und die Pflege von sozialen Beziehungen.
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Steigerung der Produktivität: Kürzere Arbeitswochen können dazu beitragen, die Produktivität zu steigern, da die Arbeitnehmenden während ihrer Arbeitszeit oft effizienter arbeiten, um ihre Aufgaben in kürzerer Zeit zu erledigen.
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Reduzierung von Burnout: Die Vier-Tage-Woche kann dazu beitragen, Burnout und Überlastung zu reduzieren, da mehr Zeit zur Erholung zur Verfügung steht.
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Einsparungen bei Pendelkosten: Kosten für den Arbeitsweg können reduziert werden
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Umweltvorteile: Weniger Pendelverkehr kann die Umweltbelastung durch Verkehrsemissionen verringern.
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Höhere Mitarbeiterzufriedenheit: Eine bessere Work-Life-Balance und die Möglichkeit, längere Wochenenden zu genießen, können die Mitarbeiterzufriedenheit steigern.
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Attraktivität für Fachkräfte: Unternehmen, die eine Vier-Tage-Woche anbieten, sind oft attraktiver für qualifizierte Fachkräfte und können diese leichter rekrutieren und halten.
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Flexibilität: Die Vier-Tage-Woche kann die Flexibilität für Arbeitnehmer erhöhen, da sie an einem Tag in der Woche frei haben, um persönliche Angelegenheiten zu erledigen oder Hobbies nachzugehen.
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Arbeitgeberprofit: Obwohl es anfangs nach einem Kostenfaktor aussieht, kann die Vier-Tage-Woche für Arbeitgeber langfristig profitabel sein, da sie die Mitarbeiterbindung und -Produktivität steigern kann.
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Gesundheitsvorteile: Arbeitnehmer haben mehr Zeit, um sich körperlich fit zu halten, was langfristig die Gesundheit und das Wohlbefinden fördern kann.
„The 4-day week could be the next evolution in the future of work.“ – Dom Murray
Natürlich ist das nicht sofort und in allen Branchen umsetzbar. Es bedeutet auch nicht dass Firmen nur an 4 Tagen in der Woche geöffnet haben. Es heißt einfach das Menschen nicht mehr zwingend 40 Stunden arbeiten und Arbeitsstunden anders und vielleicht auf mehr Schultern verteilt werden. In einigen Branchen gibt es ja auch jetzt schon verkürzte Arbeitswochen, so z.B. mit 38 oder 37,5 Wochenstunden.
Weniger Arbeitszeit wird eine Realität, ob wir wollen oder nicht!
Demografischer Wandel, Maschinenlernen, Digitalisierung werden mittelfristig dazu beitragen, dass es weniger Jobs gibt. Sogar bei McDonalds stehen jetzt weniger Menschen hinter dem Tresen, denn bestellt und bezahlt wird meistens am Terminal.
Wenn wir am Ende zufriedene, entspannte Menschen haben, die mit Freude zur Arbeit kommen und die gesteckten Ziele in 32 statt in 40 Stunden erreichen und auch die Unternehmensziele erreicht werden, dann ist doch alles in Ordnung!
Und natürlich geht das nicht immer und überall, denken wir nur an die Rettungsdienste oder Pflegeberufe.
Dogmatische Grabenkämpfe über den Verfall der Werte und die Faulheit vor allem der jungen, bringen uns in der Sache nicht weiter. Und anstatt die mangelnde Zahl an Arbeitskräften zu beklagen und das als Grund für die Ablehnung kürzerer Arbeitszeiten zu nehmen, sollten wir die Realität der Situation akzeptieren und uns aufmachen, Lösungen zu finden. Von denen gibt es genug, wir müssen uns nur trauen sie zu nutzen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!
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Bildnachweis: Fotos von Canva, Statistiken von Statista
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